Acht Berge
Ich weiß, mit der Empfehlung des italienischen Bestsellers „Acht Berge“ von Paolo Cognetti bin ich reichlich spät dran. Immerhin wurde der Roman bereits verfilmt und hat demnach nicht nur mich begeistert.
In dem Roman „Acht Berge“ erzählt der Autor von einer tiefen Freundschaft und der ewigen Suche nach dem Glück.
Der Erzähler Pietro wächst in der Stadt auf. Seine Eltern waren mit Anfang dreißig nach Mailand gezogen, fort aus dem ländlichen Veneto, wo die Mutter geboren und der Vater als Kriegswaise aufgewachsen war. Pietros Eltern lieben die Dolomiten, von denen sie oft erzählen.
„Sie erwähnten sie manchmal in Gesprächen, als ich noch zu klein war, ihnen zu folgen, aber manche Worte ragten eindeutig heraus, weil sie sonorer, gewichtiger waren: Rosengarten, Langkofel, Tofana, Marmolada. Es genügte, dass mein Vater einen dieser Namen nannte, und die Augen meiner Mutter begannen zu leuchten.“
Pietros Vater ist ein begeisteter und ehrgeiziger Bergsteiger und in den Urlauben zieht es die Familie in die Berge. Dort wird der Vater ein anderer: gut gelaunt und gesprächig – das genaue Gegenteil von dem Vater, den das Kind aus der Stadt kennt.
„Er verbrachte diese kurzen Ferien mit Wandern, verließ fühmorgens das Haus und kehrte erst abends oder am nächsten Tag zurück: voller Staub, sonnenverbrannt und erschöpft, aber glücklich.“
Die Mutter bleibt mit dem kleinen Pietro lieber im Tal, wo sie mit dem Kind durch die Landschaft spaziert, Kaffee auf der Piazza trinkt und mit Passanten plaudert. Ihr Wunsch ist es, ein Haus in den Bergen zu kaufen, in das die Familie immer wieder zurückkehren kann. Sie ist keine Freundin von häufigen Ortswechseln.
So kommt es, dass Pietro, längst „berginfiziert“, als Elfjähriger zum ersten Mal mit seinen Eltern den Sommer im Aostatal verbringt. In dem Bergdorf Grana, wo nur 14 Menschen leben, findet die Mutter ein passendes Haus für die Ferien.
Bruno ist das einzige Kind in Grana, und so freunden die beiden, fast gleichaltrigen Jungen sich schnell an, streifen gemeinsam durch die Täler und besteigen die Gipfel. Es ist der Beginn einer tiefen und lebenslangen Freundschaft, die auch Bestand hat, als Pietro und Bruno erwachsen werden.
Pietro, der das Jahr über in Mailand wohnt und Abitur gemacht hat, fängt ein Studium an, wird später Dokumentarfilmer und bereist die Welt. Bruno hingegen wird sein Bergdorf nie verlassen, er hat kaum Zugang zu Bildung und versucht, die Käserei der Familie wieder aufzubauen. Unterschiedlicher können Lebenswege kaum sein. Was die beiden Männer eint, ist ihre Liebe zu den Bergen und das feste Band ihrer Freundschaft.
Der Erzähler Pietro verspürt immer wieder die tiefe Sehnsucht nach den Bergen und kehrt regelmäßig in das Dorf Grana zurück. Pietro fragt sich: Welches Leben ist das richtige? Muss man die Welt erkunden, wie er es tut? Oder sollte man sich auf seine Wurzeln besinnen und mit dem zufrieden sein, was man hat? Was sind seine, Pietros Wurzeln? Wie steht er zu seinem Vater, der ihn mit widersprüchlichen Gefühlen zurücklässt? Wer wird am Ende seines Lebens erfüllter sein – er oder Bruno, der genügsam ist, eine kleine Familie gründet und oben auf seiner Alm hart arbeitet, um seine Kredite zu bedienen?
Die Faszination, die von den Bergen ausgeht, hat mich gleich auf den ersten Seiten gepackt.
Kein Wunder, denn ich bin einer von diesen Menschen, die es immer wieder in die Berge zieht. Cognettis Erzählkraft hat es geschafft: Im Zug, auf dem Sofa und abends im Bett habe ich Bergluft geschnuppert.
„Auf einmal schaute ich mich mitten in der Sonne um – den Septemberhimmel über mir und das kompakte Weiß der Wolken zu meinen Füßen. Wir befanden uns bestimmt weit über zweitausendfünfhundert Metern Höhe. Nur wenige Gipfel ragten wie Inseln vor uns auf, wie untergegangene Bergketten, die plötzlich auftauchten.“
„Acht Berge“ ist eines der Bücher, bei denen ich auf Seite fünfzig weiß, dass ich nicht möchte, dass diese Geschichte jemals zu Ende geht. Sie geht natürlich doch zu Ende. Ich habe das Buch ein wenig traurig und nachdenklich zugeklappt.
„Acht Berge“ ist ein tiefgründiger Roman.
„Acht Berge“ ist ein tiefgründiger Roman, in dem es um die Sehnsucht nach Heimat und Wahrhaftigkeit geht. Mich hat seine berührende Sprache fasziniert, die kraftvollen Naturbeschreibungen und die Frage nach dem richtigen Leben.
„Die Beschreibung der Natur, ihrer Schönheit und Härte – und wie diese Freundschaft solche Gegensätze trägt: Bergwelt und Stadt, Bauer und Intellektueller – ist das leise, eindringlich nachwirkende Wunder dieses Romans.“
NDR Kultur, Neue Bücher, Annemarie Stoltenberg (12. September 2017)
Über den Autor
Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren, verbringt seine Zeit am liebsten im Hochgebirge, und seine Erlebnisse in der kargen Bergwelt inspirieren den Mathematiker und Filmemacher zum Schreiben. Für seinen internationalen Bestseller »Acht Berge« , der ins Aostatal führt, erhielt er u. a. den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. Das Buch wurde in 40 Sprachen übersetzt und gerade verfilmt.
Buchinformation
Paolo Cognetti „Acht Berge“
Penguin Verlag
https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Penguin-Verlag/71000.rhd
ISBN 978-3-328-103344-8
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