Elternhaus Karin Kricsfalussy textfan.de
  • Gepostet am 20. November 2023

Elternhaus

Viele kennen die Situation: Die Eltern werden alt. Hilflos muss man erkennen, dass sie ihr Leben und ihren Alltag nur mit Mühe meistern. Nicht so Sanne! Die älteste von drei Schwestern wohnt einen Katzensprung entfernt. Sie ist nah dran an den Eltern. Im schmalen Haus mit dem großen Garten können die Eltern nicht ewig bleiben. Für Sanne muss eine pragmatische Lösung her. Sie drängt die Eltern, ihr Haus zu verlassen und in eine moderne Wohnung zu ziehen. Nie mehr Straße fegen, keine Gartenarbeit und keine engen Treppen hinauf oder hinunter. Ideal – denkt Sanne.

Nur dass Sanne dabei vergessen hat, ihre Schwestern Petra und Gitti in ihre Pläne einzuweihen. Sie fällt diese Entscheidung allein. Sie ist schließlich die Älteste.

Das Elternhaus – mehr als Mauern und ein Dach.

Petra erfährt bei einem Besuch der Eltern von dem bevorstehenden Verkauf des Elternhauses. Sie ist entsetzt. Wie konnte Sanne das tun? Den Mittelpunkt ihrer gemeinsamen Kindheit verhökern und die Eltern entwurzeln? Für Petra ist das schmale Haus ein Ort, dem sie entflieht und an den sie es doch immer wieder zieht.

„Dieses schmale Haus, ein Sehnsuchtsort, an dem sich nie etwas zu ändern schien. An dem sich nichts verändern durfte, weil sie immer noch nach etwas gesucht hatte, was sie nicht hatte benennen können.
Nun war dort nichts mehr zu holen und zu finden.“

Anstatt zu reden, verschwindet Petra wieder in ihr nomadisches Single-Leben, flüchtet vor dem Konflikt und den schon lange gärenden Spannungen.

Man kommt so schlecht aus seiner Rolle

Als Kinder üben sich Sanne und Petra in ständigem Kräftemessen, bei dem Sanne meist die Nase vorne hat. Zwar ist Petra die bessere Schülerin, doch in der Freizeit behauptet Sanne ihren Platz als große Schwester. Tief verwurzelt in diesem Rollengefüge schaffen es Gitti und Petra nicht, ihrer Schwester entgegenzutreten.

Sanne und Petra schlagen unterschiedliche Lebenswege ein. Sanne, die Ältere, ist die mustergültige Tochter, die dem Vorbild der Eltern nacheifert. Sie heiratet früh ihre Jugendliebe Uwe, sie bauen ein Haus mit Garten und bekommen zwei Kinder. Petra hat studiert, lebt allein und trifft sich seit langen Jahren mit dem verheirateten Jürgen. Sie kommt nur hin und wieder ins schmale Haus, um die Eltern zu besuchen. Beide Lebenswege haben ihre Kehrseiten und beide Schwestern neiden insgeheim der anderen die vermeintlichen Vorteile.

Und Gitti? Die fühlte sich oft von den Schwestern abgehängt und wünscht sich als Kind ein Leben im Internat. Alleinerziehend meistert Gitti ihr Leben. Auch sie findet Sannes Alleingang fragwürdig.

Zeitenwende

Der Umzug der Eltern wirft Sanne auf ihr eigenes Leben zurück. Die Kinder sind aus dem Haus, die Ehe mit Uwe ist zur Zweckgemeinschaft verkümmert, dazu das schlechte Gewissen, das sie plagt, wenn sie die Eltern in der neuen Wohnung besucht. Sanne fühlt sich mies. Als das von ihr liebevoll inszenierte Weihnachtsfest trübe verläuft, fragt sich Sanne, was sie noch für ihre Familie ist.

Ein behutsamer Blick auf eine schwierige Schwesterbeziehung

Ute Mank nähert sich behutsam dem Thema Familie. Dabei legt sie den Fokus auf die erwachsenen Schwestern Sanne, Petra und Gitti. Der Verlust des Elternhauses und das Altern der Eltern lässt alte Spannungen und Konflikte der Vergangenheit wieder aufflammen. Die Beziehung zwischen Sanne und Petra war nie unbelastet und wird auf eine existentielle Probe gestellt. Und auch die Jüngste, Gitti, gerät zwischen die Fronten. Rückblicke in die Kindheit der Frauen vervollkommnen das Familienporträt.

Eine Familiengeschichte, die berührt.

Ich habe den Roman „Elternhaus“ in einem Rutsch gelesen. Immer habe ich mich gefragt, warum reden die denn nicht miteinander. Ute Mank beobachtet sorgsam und schafft es dabei, einen liebvollen Blick zu wahren. Sie wertet nicht und überlässt der Leserschaft die Einordnung der Charakteren. Und die zeichnet Mank facettenreich, was die Spannung des Buches ausmacht. Und hin und wieder tun die Schwestern etwas Verrücktes, was mir besonders gut gefallen hat. Was das ist, wird nicht verraten, denn ich möchte, dass noch viele Leser und Leserinnen den Weg zu diesem Roman finden.

Nebenbei bemerkt, ist Ute Manks Roman „Elternhaus“ mühelos zu lesen und unterhaltsam. Vor Parallelen zum eigenen Leben muss ausdrücklich gewarnt werden:)

Ich komme zu dem Schluss, dass ein Elternhaus mehr ist als ein paar Wände mit einem Dach darauf. Am Ende ist es das Nest, dem wir alle entwachsen und der Rucksack, den wir von dort mitnehmen, ist unterschiedlich gefüllt.

Über die Autorin

Ute Mank wurde in Marburg geboren. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, lernte einen Gesundheitsberuf, studierte Erziehungswissenschaften und promovierte später nebenberuflich. Ihr erster Roman ›Wildtriebe‹ erschien 2021 und war für den Klaus-Michael-Kühne-Preis nominiert. Sie lebt mit ihrer Familie in Hessen.

Buchinformation

Ute Mank, „Elternhaus“
Verlagsgesellschaft dtv, München
ISBN978-3-423-28350-2

 

 

Blogbeitrag teilen:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ihr Kommentar erscheint nach der Prüfung durch unseren Administrator.

Weitere Beiträge:

© textfan.de

Nach oben scrollen