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  • Gepostet am 20. August 2019

Englische Grammatik – mal was anderes!

Mal ehrlich: Schreckt Sie nicht allein schon der Titel dieses Beitrags ab? Kommen da nicht ungeliebte Erinnerungen hoch? Überhitzte Klassenzimmer, das Quietschen der Kreide an der Tafel und der muffige Geruch des feuchten Lappens, mit dem wir sie nach dem Unterricht wischen mussten?

Meinen ersten Englischunterricht hatte ich in der 5. Klasse bei Miss Ewart. Betonung liegt auf Miss. Damals erschien mir die Miss uralt. Miss Ewart war etwas dicklich, mit rotblonden, glatten Haaren, die ihr Gesicht wie ein Helm umrahmten. Stets trug sie merkwürdig gemusterte Röcke, die ihre knubbeligen Beine unvorteilhaft zur Schau stellten. Sie war unverheiratet, hatte weder Mann noch Kinder, demzufolge musste sie wohl eine alte Jungfer sein. Ein Begriff, der staubte, wenn man ihn laut aussprach.

Heute, mit einem Zeitversatz von mehr als 30 Jahren, ist mir klar, dass Miss Ewart jung gewesen sein musste. Vielleicht Anfang dreißig? Eine etwas verhuschte Schottin, die sich aus Edinburgh auf den Weg nach Deutschland gemacht hatte, um den „Little German Kids“ Englisch beizubringen.

Drei Jahre wurden wir von der Miss unterrichtet und wir, ein Haufen frühpubertierender Chaoten, schlossen sie wahrhaftig ins Herz, unsere Englischlehrerin, die uns die ersten Worte in dieser so wichtigen Sprache beibrachte. „This is a kitchen.” „Mum and Dad are sitting in the kitchen.” “This is a dog. His name is George.” Mit diesen inhaltsschwangeren Sätzen führte uns Miss Ewart an die Sprache ihrer Heimat heran. Erst viel später erfuhren wir, dass Miss Ewart einen starken schottischen Akzent hatte, den wir Kinder ahnungslos übernahmen.

Ich mochte Miss Ewart mit ihrem freundlichen, runden Gesicht, das bei der kleinsten Kleinigkeit tief errötete. Besonders schlimm war es, wenn unser Schuldirektor den Klassenraum unerwartet betrat. Dann lief ihr Gesicht an, wurde rot wie eine Tomate und die Miss schnappte hörbar nach Luft, so als wäre sie gerade bei einer unsäglichen Tat erwischt worden. Wir Kinder hatten natürlich längst begriffen, dass wir diese Lehrerin ratzfatz aus der Fassung bringen konnten. Zugegeben, hin und wieder haben wir das ausgenutzt. Nein, wir waren nicht immer die „Lovely German Kids“, von denen Miss Ewart wohl dachte, dass sie sie hier antreffen würde.

Als wir uns unser Leben ohne Miss Ewart nicht mehr vorstellen konnten, verließ sie unsere Schule. Wir blieben zurück mit einer ganzen Reihe Vokabeln, etwas Grammatik und wenig Sprachpraxis. Und das, was wir sprachen, war ganz sicher kein British English.

Mein neuer Englischlehrer attestierte mir mit einer nicht ganz so guten Note, dass ich weder eine richtige Aussprache noch Talent für die englische Grammatik hatte. Wen wundert es also, dass ich mich mit lausigen Englischnoten bis zum Abitur durchquälte. Natürlich bin ich in meinem Studium und in meinem späteren Berufsleben nicht ums Englisch herumgekommen. Die Universität hatte mich in eine sich rasant globalisierende Welt hinausgespuckt. Ohne Englisch – no chance. Also habe ich mich wieder auf die Schulbank gedrückt und neben dem Job Englisch gelernt. Besonders gut bin ich nie geworden. Mein schottischer Akzent hat sich verflüchtigt und ich kann mich in dieser Sprache halbwegs verständlich ausdrücken. An Grammatik hatte ich nie Spaß – das hat sich nicht geändert.

Vielleicht ist es daher Schicksal, dass ich Birgit Kasimirski kennengelernt habe. Wir trafen uns bei einem Autorenworkshop und sie berichtete, dass sie bereits ein Buch veröffentlicht hat. Das machte mich neugierig. Ein Gedichtband, ein Roman, eventuell Kurzgeschichten?
„Nein“, sagte sie, „ich habe über englische Grammatik geschrieben.“

Meine Enttäuschung hätte nicht größer sein können. Englische Grammatik, wie langweilig. Ich sah das Buch – wahrscheinlich war es nur so ein unsäglich ödes DIN A4 Heft mit Übungen – vor meinem geistigen Auge.

Birgit nahm meine Enttäuschung mit Gelassenheit. „Ich schick Dir das Buch.“
„Nein, danke“, hätte ich am liebsten gesagt, „mit englischer Grammatik habe ich abgeschlossen.“

Ein paar Tage später bekam ich dann tatsächlich ein Päckchen. Darin ein Buch, kein graues Heft, kein typisches Lehrbuch. Ich schlug es auf und bereits beim Lesen der ersten Seite war klar, dass dieses Grammatikbuch anders ist.

„Sprache ist Kleidung der Gedanken.“ Mit diesem Zitat von Samuel Johnson startet Birgit Kasimirski und mit diesem Satz hat sie mich sofort abgeholt. Sie ist eine Praktikerin und hat ein Grammatikbuch geschrieben, das einen starken Fokus auf Praxisnähe und Anwendbarkeit legt. Das Buch lädt zum Blättern ein und passt in viele Taschen. Es enthält Übungen mit Lösungen, ist klar gegliedert und der ideale Begleiter für das private Selbststudium.

Besonders wertvoll finde ich Teil Eins des Buches. Die Autorin nennt ihn lapidar „Vorarbeiten“. Ich finde diese 15 Seiten ganz essentiell für dieses Grammatikbuch, denn sie führen den Lernbegierigen Schritt für Schritt an das notwendige Basiswissen heran. Der Leser erhält einen Überblick über die relevanten grammatikalischen Grundbegriffe, die englischen Zeiten und bekommt hilfreiche Lerntipps.

In jedem Lernabschnitt findet der Lernende eine Zusammenfassung „in a nutshell“, also das, was er oder sie sich unbedingt merken sollte. Birgit Kasimirski erklärt kurz und knackig, das gefällt mir und hat mich wirklich angeregt, die Nase etwas tiefer ins Buch zu stecken.

Was mich besonders für dieses Buch einnimmt, ist seine klare, ruhige Gestaltung. Es macht Freude, darin zu blättern und zu schmökern. Tatsächlich habe ich schon die eine oder andere Übung gemacht. Übrigens bin ich gar nicht so schlecht.

Ich frage mich, wo Miss Ewart heute lebt, wenn sie noch lebt. Auf späteren Klassentreffen wurde gemunkelt, sie wäre zurück nach Schottland gegangen und hätte geheiratet. Ein schöner Gedanke: Für die Liebe kommt immer der richtige Zeitpunkt. Seit ich das Buch von Birgit Kasimirski neben meinem Bett liegen habe, denke ich, das gilt auch für die englische Grammatik. Danke!

Birgit Kasimirski arbeitet freiberuflich als Journalistin, Englisch-Trainerin und Übersetzerin. – Sie ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Korschenbroich.

 

Buchinformation

Birgit Kasimirski, „Englische Grammatik“

Anaconda Verlag GmbH, Köln, 2017

ISBN 978-3-7306-0317-8

http://www.birgitkasimirski.de

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