Löwen wecken von Ayelet Gundar-Goshen
  • Gepostet am 3. November 2021

Löwen Wecken

»Und er dachte sich gerade, dies sei der schönste Mond, den er je gesehen hatte, als er diesen Mann umfuhr.«

Mit diesem Satz taucht Ayelet Gundar-Goshens ein in die Geschichte, die sie in ihrem Roman „Löwen wecken“ erzählt. Das Buch hat mir eine liebe Freundin geschenkt, ich habe es aufgeschlagen und nach Satz eins alle anderen Bücher erst einmal weggelegt.

Warum geht es in dem Roman „Löwen wecken“?

Dr. Etan Grien, Neurochirurg an einer Klinik in Beer Sheva, überfährt bei einer nächtlichen Spritztour durch die wüste Negev einen illegalen Einwanderer aus Eritrea. Etan begeht Fahrerflucht, denn er ist sich sicher, dass das Leben des Mannes nicht zu retten ist. Und es gibt keine Zeugen.

Ein schwerwiegender Irrtum wie sich herausstellt: Am nächsten Tag steht die Witwe des Toten vor Etans Haustüre und es beginnt eine höchst ungewöhnliche Erpressung. Für ihr Schweigen nötigt Sirkit den Arzt, Nacht für Nacht in einer heruntergekommenen Autowerkstatt medizinische Hilfe für Einwanderer zu leisten.

Etan, glücklich verheiratet, Vater zweier Söhne, geht auf den Pakt ein, mit der Folge, dass sein Leben zusehends aus den Fugen gerät. Etan droht alles zu verlieren.

Seiner Frau Liat, einer Kriminalbeamtin, verschweigt Etan die Geschehnisse. Die Situation spitzt sich zu, als Liat ausgerechnet mit der Aufklärung dieses Falles beauftragt wird.

Welten stoßen aufeinander

Die Autorin beschreibt den Alltag von Menschen, deren Lebenswelten sich normalerweise nicht berühren. Die scheinbar heile Welt der Etablierten und Wohlhabenden verquickt sich mit der von im Land nicht erwünschten mittellosen Flüchtlingen. Gundar-Goshen beschreibt das eindrücklich, ohne Stereotype über Täter und Opfer zu bemühen. In „Löwen wecken“ erzählt die Autorin von Menschen, die Grenzen überschreiten, letztlich um ihre Haut zu retten. Sie geraten in Situationen, in denen hohe Ideale den Realitäten nicht standhalten.

Ayelet Gundar-Goshen eröffnet tiefe Einblicke in die Psyche der Protagonisten

Gundar-Goshen wechselt zwischen den Protagonisten – Etan, seiner Frau Liat und der Witwe Sirkit – hin und her und erlaubt den Lesern tiefe Einblicke in deren Gedankenwelten. Dieses Hineinpurzeln in die Köpfe der Akteure hat mich begeistert und gefesselt. Die überraschungsreichen Wendungen in der Geschichte bescherten mir ein ausgesprochen spannungsreiches Leseerlebnis, mutig und packend geschrieben. Immer wieder hat mich der Text veranlasst, meine eigene Position zu hinterfragen: „Was hättest du in dieser Situation getan?“

„Löwen wecken“ ist 2016 auf Deutsch erschienen und war aufgrund der Flüchtlingskrise hochaktuell. Diese Aktualität ist geblieben. Der Roman ist ein Porträt der israelischen Gesellschaft mit all ihren sozialen Problemen. Doch die Handlung fände ihren Platz genauso gut in Spanien, Deutschland oder in den USA.

 

Über die Autorin Ayelet Gundar-Goshen

Ayelet Gundar-Goshen studierte Psychologie in Tel Aviv-Jaffa und danach Film und Drehbuch in Jerusalem. Sie arbeitet als Psychologin in Tel-Aviv, wo sie mit ihrem Mann, dem Autor Yoav Shutan-Goshen, und ihren zwei Kindern lebt.
2012 veröffentlichte sie ihren ersten Roman „Eine Nacht. Markowitz“, für den sie 2013 den israelischen Sapir-Preis für das beste Debüt in hebräischer Sprache erhielt. Ihr dritter Roman „Löwen wecken“ wurde 2017 mit dem Wingate Literary Prize ausgezeichnet.

Buchinformation

Ayelet Gundar-Goshen: „Löwen wecken“
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama, Kein & Aber Verlag, Zürich 2015, 423 Seite
ISBN 978-3-0369-5940-5

 

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